Süddeutsche Zeitung

Gesichter voller Leben
Alexander Kowarzyk ist ein Künstler, der sein Handwek versteht – in Dießen zeigt er Portäts

Dießen – kann ein Porträt, das in 15 Minuten gezeichnet wurde, wirklich gut sein? Ja, es kann. Alexander Kowarzyk zeigt seine Bilder, von denen manche „in 15 bis 20 Minuten“ entstanden sind, im Hotel zum See in Dießen. Es sind beeindruckende Bilder von Gesichtern; von Gesichtern voller Leben, das ihnen der Künstler gegeben hat.
Kowarzyk verwendet Kohle für seine Schnellzeichnungen. „Bei Kohle spürt man das Expressive“, erklärt er, „Kohle lässt ein Tüfteln nicht zu, es ist ein flüchtiger, schneller Strich und jede Linie bleibt.“ Kurz: Kohle ist ideal für lockere, spielerische Schnellzeichnungen.
Alexander Kowarzyk erklärt viel, wenn er über seine Zeichnungen spricht, denn er weiß viel, er hat seine Kunst sozusagen als Handwek erlernt: Kowarzyk ließ sich zum Glas-und Porzellanmaler ausbilden, er studierte an der Akademie der Bildenden Künste und an der Fachhochschule. Heute gibt er das Wissen weiter: als Dozent, als Zeichenlehrer.
Und er ist freier Künstler. Manchmal arbeitet er in seinem Atelier in Dettenhofen bei Dießen, manchmal auf einem Bauernhof in Raisting. Dort treffen sich sechs Künstler einmal pro Woche, um gemeinsam zu zeichnen. Kowarzyk konzentriert sich seit gut einem Jahr auf Porträts, manche fertigt er in 15 bis 20 Minuten an, für andere nimmt er sich mehrere Stunden Zeit – das sei dann meditativer, sagt er. Kowarzyk hält den Stift auch anders als beim lockerem Schnellzeichnen; der Stift laufe beim langsamen Zeichnen „wie auf einer Schiene“.
Manchmal sitzt ein Modell vor ihm, etwa die Bewohnerin eines Altenheims oder ein Galerist oder eine Frau aus Raisting, manchmal zeichnet Kowarzyk von Vorlagen ab. Das heißt: Er zeichnet nicht einfach ab, er nimmt sich die Freiheit, jedes Gesicht so zu gestalten, dass Raum für Interpretationen bleibt – durch Weglassen zum Beispiel.
Das tut er gerne: Weglassen. Es gibt ein Bild, auf dem nur Augen, Nase und Wangen eines Menschen zu sehen sind, der Rest des Papiers ist leer. Kowarzyk nennt die weiße Fläche „Negativraum“, aber das ist nur ein Fachausdruck, denn eigentlich ist diese Leere positiv. „Sie wirkt interessant, fast wie ein Rätsel“, sagt er. Wie würde das Gesicht aussehen, wenn man es vervollständigen würde? Wäre es rund? Kantig? Kunst ist eben auch geheimnisvoll.   Gerhard Fischer